Abschied von Bella

†  13. Oktober 2014, Bella, Labor-Foxhound, wurde 12 Jahre alt, lebte 11 Jahre bei uns.

† 13. Dezember 2013, Lara, Labor-Foxhound, wurde 11 Jahre alt, lebte 10 Jahre bei uns. 

Anfang 1998 hatten wir unseren ersten Labor-Foxhound aufgenommen. In den darauffolgenden Jahren nahmen wir weitere Laborhunde bei uns auf. Die meisten der Hunde waren bereits älter oder sogar sehr alt, krank, verbraucht und doch war es als ob sie ihr ganzes Leben nur darauf gewartet hätten ein Zuhause zu bekommen, umsorgt und geliebt zu werden.

Dann, im Jahr 2003, hatten wir zum ersten Mal junge, quirlige, Labor-Foxhounds aufgenommen, gleich drei an der Zahl, weil sie niemand haben wollte. Wir gaben ihnen die Namen, Lara, Kira und Bella. Kira ging kurze Zeit später auf unseren zweiten Gnadenhof zu Inge. Lara und Bella blieben bei uns. Sie verband eine lebenslange Freundschaft.

Die beiden waren so voller Lebenslust und machten so viel Blödsinn. Schuhe und Stiefel wurden angeknabbert oder im Garten versteckt, Decken und Kissen wurden mit Löchern versehen und der Inhalt im Haus oder Garten verteilt. Lara, ein Bild von einem Foxhound, war die Intelligentere. Unseren Labor-Foxhound Robin himmelte Lara an und hat sicherlich viel von ihm gelernt, denn er war der Rudelführer. Er starb im Alter von 12 Jahren. Er litt an einem bereits fortgeschrittenen Cauda Equina Syndrom und war schon eine ganze Weile ziemlich wackelig auf den Beinen. Es war an einem Sonntag früh morgens, als plötzlich seine Hintergliedmaßen total gelähmt waren. Ich werde nie den Ausdruck in seinen Augen vergessen, so voller Angst und Hilflosigkeit. Wir konnten unsere Tierärztin gleich erreichen. Wir mussten ihn einschläfern lassen. Danach übernahm Lara die Rudelführung. Sie liebte Nick abgöttisch und hörte aufs Wort. Besuchern, insbesondere Kindern gegenüber zeigte sie sich von ihrer besten Seite und war ganz brav. Den meisten unserer anderen Hunde gegenüber verhielt sie sich jedoch recht zickig und dominant. Doch für unsere Schafe und Minischweine entwickelte sie  Muttergefühle und beschütze sie und wehe ein Fremder kam ihnen zu nahe.

Bella war etwas kompakter, eher gemütlich, etwas stur und ein wenig dickköpfig. Sie hatte den Gesichtsausdruck eines kleinen Kälbchens. Besucher kniff sie entweder in den Po oder stupste sie so lange an, bis sie gestreichelt wurde. Vor Gewittern hatte sie eine panische Angst und verkroch sich dann immer unter einem Nachttisch im Schlafzimmer. Doch ich konnte Bella etwas ganz Besonderes beibringen. Während Lara ihre Schafe und Minischweine beschützte, lernte Bella unsere Hühner vor Greifvögeln zu beschützen. Wenn ich rief „Bella Habicht“ und den Arm mit gestreckter Hand in eine bestimmte Richtung nach oben hielt, lief sie dorthin und suchte den Greifvogel, bis sie ihn entdeckt hatte, um ihn dann so lange vehement zu verbellen bis er verschwand. Einige Male stöberte sie Igel auf, die sie unter den Bäumen an den Hängen aufstöberte. Sie nahm sie vorsichtig in die Schnauze und legte sie mir auf die Treppe vor der Eingangstür. Niemals hat sie sie verletzt oder hatte auch nur einen Stachel in der Schnauze. Warum sie das gemacht hat, weiß ich nicht. Aber ich habe die Igel dann außerhalb des Grundstücks in Sicherheit gebracht. Bella und Lara haben aber auch unseren anderen Hunden etwas beigebracht, worüber wir und die Nachbarn nicht besonders erfreut waren. 
Jedes Mal, wenn wir im Auto wegfuhren, rannten alle Hunde durch die Hundeklappe aus dem Haus zum Tor und dann ertönte ein Geheul wie man es sonst von Wölfen kennt. Lara und Bella fingen an und die anderen Hunde stimmten ein. Es hielt nur ca. 5 Minuten an, aber es war so laut, dass man es bis in den Ort hören konnte. 

Am 05. November 2013 starb Kira, die bei Inge 10 Jahre lang ein glückliches Leben führen durfte. Sie hatte bereits drei Pankreatitis Schübe gehabt, dann wurde ein Pankreas Karzinom diagnostiziert und Kira musste eingeschläfert werden.

Es war im Dezember 2013, als Laras Bauch innerhalb von wenigen Tagen immer dicker wurde. Dann verweigerte sie ein paar Tage die Nahrung. Am 13. Dezember fuhren wir mit ihr zu unserer Tierärztin. Ultraschall ergab, dass sie einen riesigen Tumor hatte, der den ganzen Bauchraum einnahm und auf alle anderen Organe drückte. Wir mussten sie gehen lassen.

Ich glaube, dass Bella ihre Lara nach deren Tod sehr vermisst hat. Seitdem war Bella anders, ruhiger geworden.

 
Vor ca. 5 Wochen stellten wir fest, dass Bella auf dem rechten Hinterbein leicht humpelte. Vielleicht hat sie sich die Pfote verletzt und ein Stückchen Holz eingetreten, dachte ich. Doch da war nichts. Vielleicht hat sie etwas mit dem Kniegelenk oder dem Hüftgelenk, vielleicht einen Bandscheibenvorfall oder in einem der Gelenke Arthrosen. Wir stellten sie unserer Tierärztin vor. Um eine genaue Diagnose stellen zu können wurde ein Röntgentermin vereinbart. Dann stand die Diagnose – Verdacht Osteosarkom, also Knochenkrebs. Nick fotografierte noch die RÖ-Aufnahmen ab mit seinem Handy. Wir fuhren mit Bella nach Hause. Außer einem komplizierten Bruch am Vorderfuß, der in einer OP mit einer internen Platte versehen wurde, hatte sie nie etwas gehabt. Sie war völlig gesund und ihr Herz war in Ordnung, nur dass sie inzwischen taub geworden war, aber das beeinträchtigte sie überhaupt nicht. Unsere Bella, Knochenkrebs, diese so furchtbar schmerzhaften Tumoren, ich wollte es einfach nicht wahrhaben. Vielleicht waren es doch gutartige Tumoren. Ich holte meine Bücher heraus und las und las und immer wieder sah ich mir die RÖ-Aufnahmen an. Bella hatte zwei Tumoren im Oberschenkelknochen, einen größeren Nähe Hüftgelenk, einen kleineren Nähe Kniegelenk. Beim Osteosarkom kommt es einige Wochen später zu einer knochenharten, druckempfindlichen Vorwölbung in der Region des Tumors, hatte ich gelesen.

Bella bekam ein Schmerzmedikament. Das erste zeigte wenig Wirkung. So wechselten wir zu einem Medikament mit einem anderen Wirkstoff. Die Schmerzen ließen anfangs nach. Doch das Hinken wurde schlimmer, das Bein zitterte. Dann war an der Hüfte, dort wo der Tumor saß, ein Knubbel zu sehen der schnell größer wurde und eine ganz kleine Erhebung Nähe Kniegelenk. Es gab also weder  die Hoffnung, dass es etwas Gutartiges sein könnte, noch die Hoffnung dass Bella noch viel Zeit bleiben würde.

Fortan beobachtete ich Bella Tag und Nacht. Sie freut sich noch, sie frisst gut, sie hüpft noch durch den Garten und stupst mich an um gestreichelt zu werden, sagte ich mir. Sie will nicht sterben, sagte ich mir, sie will leben. Drei Wochen seit der Diagnosestellung waren vergangen.

In den letzten Tagen lief sie ein paar Mal bis an das Ende unseres Grundstücks und kletterte den dort gelegenen steilen Hang schwerfällig nach oben. Von da kann man weit in die Landschaft blicken. Dort blieb sie stehen, sah sich einige Minuten um, kam dann wieder herunter und ging ins Haus um sich auszuruhen. Ich hatte irgendwie das Gefühl, dass sie Lara suchte, die vor 10 Monaten von uns gegangen ist. Drei Wochen seit der Diagnosestellung waren vergangen.

Am Morgen des 13. Oktober hatten 4 Tauben und 2 Schafe zwei verschiedene Tierversuchslabors verlassen und waren auf dem Weg in ihr jeweiliges Zuhause, das ich für sie nach vielen Mühen habe finden können.

Es war kurze Zeit später an diesem Tag, als ich mich zu Bella setzte, die auf ihrem Bett in unserem Schlafzimmer lag. Sie sah mich ununterbrochen an, wendete den Blick nicht einmal ab. Der Ausdruck in ihren Augen war ernst und eindringlich. Sie wollte mir etwas mitteilen. Ich glaube, dass ich sie verstanden habe. Bella wollte nicht sterben, aber sie wollte, dass ich ihr helfe diese schlimmen Schmerzen loszuwerden. So fuhren wir gegen Mittag zu unserer Tierärztin mit ihr. Wir setzten uns zu ihr auf ihre Decke, streichelten sie und sprachen mit ihr, obwohl sie uns wahrscheinlich nicht hören konnte, weil sie taub war. Aber sie wusste, dass wir bei ihr waren. Ganz friedlich schlief sie ein, für immer.

Am späten Nachmittag, es war den ganzen Tag trocken gewesen, nahmen wir noch einmal gemeinsam mit unseren Hunden still Abschied von Bella. Da fielen plötzlich Regentropfen vom Himmel, nur für wenige Minuten. Der Himmel hat geweint, sagte ich zu Nick. Doch Nick erwiderte, Bella hat sich von uns verabschiedet und sie hat sich bedankt, auch dafür, dass sie jetzt keine Schmerzen mehr hat.

Beate Busse